Wolfsbegnungen im Revier

Wolf an Riss
– © Jens Metschurat - stock.adobe.com

Text: Redaktion Unsere Jagd

Der Wolf gehört in einigen Revieren bereits zum festen Bestandteil. Die Reaktionen des Wildes sind bekannt, was aber wenn man plötzlich selbst einem der grauen Räuber gegenübersteht? Unser Autor berichtet von Situationen, die im Gedächtnis bleiben.

Drückjagd auf Sauen und Rotwild. Ich sitze im lichten Kiefernaltholz mit ein paar eingesprengten alten Eichen auf meinem Sitzstock, angelehnt an eine Kiefer. Die Doppelbüchse auf den Knien. Es ist 9 Uhr, das Treiben müsste gerade beginnen. Da fallen auch schon entfernt die ersten Schüsse. Aus dem Augenwinkel sehe ich eine Bewegung rechts von mir, aber beim Hinschauen sehe ich nichts. Dann wieder eine Bewegung und schemenhaft erkenne ich zwei Stücke, die durch die Kiefernaturverjüngung huschen und kurz darauf verschwunden sind. Das waren … zwei Wölfe! Es knallt jetzt aus der Richtung, in die die beiden Grauen verschwunden sind. Und tatsächlich kommen sie zurück, trennen sich. Einer der beiden kommt direkt auf mich zu. Er trabt mit höchstens zwei Metern Abstand an mir vorbei, erkennt mich beim Vorbeitraben und realisiert selbstverständlich auch, dass ich ihn bemerkt habe. Unwillkürlich habe ich die Waffe etwas fester gegriffen, was Isegrim ganz sicher auch registriert hat. Er lässt sich aber nicht aus der Ruhe bringen und trabt flott weiter. Aug in Aug mit einem ausgewachsenen Wolf von vermutlich 50 kg, das lässt den Adrenalinspiegel doch ein wenig steigen. Anscheinend hatte der Wolf keine Scheu vor mir, zeigte aber auch keinerlei Interesse an mir.

Gewöhnungseffekte in Sicht?

Nachtansitz auf Sauen am Maisstoppelacker Mitte Oktober. Um 1 Uhr zieht ein starker Rothirsch langsam und schwerfällig aus dem Busch auf die Fläche. Er ist augenscheinlich wegen der Brunft stark abgekommen. Der Alte zieht ca. 100 Meter auf den Schlag und äst in aller Seelenruhe den reichlich dort verbliebenen Mais. Nach einer Stunde kommen von einer anderen Seite zwei Wölfe, sehen aus wie Junge und benehmen sich auch so. Sie springen mit der Rute wedelnd ausgelassen umher, bewinden den Boden und bleiben mitunter eine Weile stehen. Dann kreuzen sie die Fährte des alten Hirschs. Es reißt sie richtig herum, und nachdem sie die Fährte eingehend untersucht haben, folgen sie ihr. Sie nähern sich dem Hirsch bis auf etwa 50 Meter, sind unschlüssig, was jetzt zu tun ist. Ziehen vor und zurück, setzen sich schließlich hin. Ein Bild der Ratlosigkeit. Dann gehen sie bis auf 30 Meter an den Hirsch heran, sind aber nach wie vor unentschlossen. Der Alte hat die beiden längst mitbekommen, äugt aber nur müde ab und an nach hinten. Offenbar taxieren sich Hirsch und Wölfe gegenseitig. Schließlich, das gegenseitige Belauern hat vielleicht fünf Minuten gedauert, ziehen die Wölfe weiter und lassen den Hirsch in Ruhe. Der äst noch eine Weile und zieht dann gemessenen Schrittes zurück in den Busch. Anscheinend haben die beiden grauen Jungspunde festgestellt, dass der Hirsch für sie eine Nummer zu groß ist, und umgekehrt hat der Hirsch wohl festgestellt, dass diese Wölfchen für ihn keine Gefahr darstellen. Vor 15 Jahren wäre der Hirsch in einer solchen Situation sofort panisch geflohen. So langsam gewöhnt man sich wieder aneinander.

Schwarzwild lässt sich nichts bieten

Maishäckseln Ende September. Um 19 Uhr haben Häcksler und Abfahrer den Schlag verlassen. Zu dritt sitzen wir dann mit jeweils etwa 150 Meter Abstand in einer etwa 30 Meter breiten und zwei Kilometer langen Schneise im Mais und warten auf auswechselnde Sauen. Doch statt der erwarteten Schwarzkittel kommt ein Wolf auf die Schneise und beginnt dort auf und ab zu schnüren. Ab und an verschwindet er wieder im Mais, hält sich aber meist auf der Schneise auf. Und dann 

kommt noch ein zweiter Grauer dazu. Die beiden anscheinend noch jungen Isegrime patrouillieren jeder in einem bestimmten Abschnitt auf der Schneise, und man wird den Eindruck nicht los, die lauern genau wie wir auf Sauen. Nach einer Weile erscheinen im Wärmebildgerät weitere helle Punkte am Rand der Schneis. Fünf dicke Überläufer, so zwischen 40 und 50 kg, ziehen aufgeregt am Maisrand hin und her, kommen kurz auf die Schneise, um sofort wieder im Mais zu verschwinden. Dann kommen sie 30 Meter weiter wieder heraus, holen Wind, ziehen weiter aufgeregt hin und her. Nachdem sie dann etwa zehn Minuten nicht mehr auf der Schneise erschienen sind, ziehen die beiden Wölfe getrennt in den Mais. Kurz darauf klagt im Mais eine Sau. Dann ist für mehr als eine Stunde Totenstille. Wir räumen das Feld, denn mit den Sauen brauchen wir wohl nicht mehr zu rechnen. Die Überraschung kam am nächsten Tag, als der Schlag runter war. Nirgends war ein Zeichen des nächtlichen Intermezzos zu sehen. Kein Riss, nichts. Entweder hat sich die Sau selbst so energisch gewehrt, dass die beiden Jungwölfe von ihr abgelassen haben, oder die Sauen haben sich gemeinsam erfolgreich zur Wehr gesetzt. Und den Jungwölfen hat offenbar der Schneid gefehlt, erfolgreich einen der Überläufer zu reißen. Die Wölfe werden uns also vermutlich keine große Hilfe sein, wenn es um die Absenkung der Sauenbestände geht. Eher im Gegenteil. In dieser Häckselsaison haben wir am Mais keine einzige Sau in unserem Revier erlegt, in mehreren Schlägen aber war Isegrim im Mais.

Zwar bewirkt der Wolf durch seine Anwesenheit eine dramatische Verhaltensänderung des Wildes, was die Bejagung ungemein erschwert, andererseits ist es auch ein fantastisch schönes Erlebnis, Isegrim so aus der Nähe bei seinem natürlichen Verhalten zu beobachten. Prof. Dr. Hans-Dieter Pfannenstiel

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